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  • AutorenbildFranziska Roth

Grenchen, ihr seid super!

Rede zum 150 Jahr Jubiläum der SP Grenchen



Liebe Leute


Läck Grenchen, ihr seid einfach super. Ich bin so oft hier und jedes Mal überrascht ihr mich aufs Neue. Genial was ihr da wieder auf die Beine gestellt habt. Und das, obwohl ihr uralt, ja steinalt seid. Älter als unsere Mutterpartei.


Seit nun 150 Jahren seid ihr am Wirken. 18 Jahre bevor die SP Kanton Solothurn gegründet wurde und 16 Jahre vor der SP Schweiz. 150 Jahre Politik der SP Grenchen die die Aufgabe wahrnimmt, eure Stadt, unseren Kanton und unser Land zu verändern - immer und immer wieder. Der Erfolg unseres Landes beruht zu einem grossen Teil auf unserer gemeinsam Roten Politik, die ihr in den letzten 150 Jahren mitgestaltet habt. Klar, entstanden sind wir aus dem Freisinn. Man kann sagen, dass vor 150 Jahren der Freisinn seine Sternstunde hatte, als aus einem Teil des Freisinns die Grütlisektion Grenchen entstand.


Doch was macht eine Partei aus? Sollten wir nun sagen «Hey SP Grenchen 150 Jahre sind genug, ab in den verdienten Ruhestand»? Das Alter einer Partei misst man nicht an den Jahren, sondern am Einsatz und am Willen seiner Mitglieder.


Im Bundeshaus gibt es immer wieder Besuch von Schulklassen. In der Sommersession durfte ich eine Klasse der Kanti Solothurn empfangen. Da fragte ein Junge: können Sie mir lustvoll den Unterschied der Parteien erklären? Zum Glück kam mir folgender Vergleich, den ich mal beim Bauernverband machen durfte:


Was tun die Parteien mit zwei Kühen?


Sozialdemokrat

Sie besitzen zwei Kühe. Ihr Nachbar besitzt keine. Sie fühlen sich schuldig, weil Sie erfolgreich arbeiten. Sie wählen Leute in die Regierung, die Ihre Kühe besteuern. Das zwingt Sie, eine Kuh zu verkaufen, um die Steuern bezahlen zu können. Die Leute, die Sie gewählt haben, nehmen dieses Geld, kaufen eine Kuh und geben diese Ihrem Nachbarn. Sie fühlen sich rechtschaffen. Udo Lindenberg singt für Sie.


FDP

Sie besitzen zwei Kühe. Ihr Nachbar besitzt keine. Na Und?


SVP

Sie besitzen zwei Kühe. Sie verkaufen eine und leasen sie zurück. Sie gründen eine Aktiengesellschaft. Sie zwingen die beiden Kühe, das Vierfache an Milch zu geben. Sie wundern sich, als eine tot umfällt. Sie geben eine Presseerklärung heraus, in der Sie erklären, Sie hätten Ihre Kosten um 50% gesenkt. Ihre Aktien steigen.


Grüne

Sie besitzen zwei Kühe. Sie richten eine Umweltzone ein. Aus Klimaschutzgründen stellen Sie die Kühe in einen Stall, um die Methanemissionen zu filtern. Aus Tierschutzgründen können Sie das nicht lange mit ansehen, stellen die Kühe auf die Weide und zahlen einen Klimaschadenkompensationsbeitrag.


Die Mitte oder eben die CVP

Besitzt zwei Kühe. Aber Sie wissen nicht welche es sind, denn die eine grast bei der SP und die andere bei der SVP.


Man darf sich schon fragen, braucht es die Parteien heute noch? Oh ja, denn wenn wir von uns und unseren Werten reden und nicht nur von den Fehlern der anderen, dann sind wir in der Tat Orientierungshilfen, Fixsterne für Menschen, die auf komplizierte politische Fragen nicht selber eine Antwort finden. Dabei orientieren wir uns aber keineswegs immer am Parteiprogramm.


Wir treten einer Partei nicht nur bei, um ein Anliegen effizient umsetzen zu können, sondern auch, weil wir mit Gleichgesinnten zusammen sein wollen. Wir pflegen das Zusammengehörigkeitsgefühl, suchen Freundschaften, manche streben sogar einen Familienersatz an. Was bei religiösen oder sportlichen Vereinen ein Motiv ist, ist auch bei Parteien ein Beitrittsgrund. Deswegen führen Parteien gesellige Anlässe durch.

Die Mitarbeit in einer Partei schafft ein Wir-Gefühl und stiftet Identität.


Es heisst nicht vergeblich: Die Menschen wollen Partei ergreifen, was so viel heisst, wie, zu etwas stehen, sich zu anderen Mitmenschen oder zu einer Überzeugung bekennen. Das führt automatisch auch zu Abgrenzungen gegenüber "den anderen". Die Roten gegen die Blauen, die Grünen gegen die Schwarzen. Abgrenzung gehört zur Identität. Als ich im Thal vor 1987 zu einem Vorstellungsgespräch antrabte meinte einer "Du bist eine Rote." Eine anderer sagte subito: „Ihre Eltern sind allerdings Schwarze". Da sagte ein dritter "Bei einer Frau ist die Farbe nicht so schlimm."


Die Farbenlehre der politischen Parteien führt zu Glaubensbekenntnissen und birgt die Gefahr, nur den Glauben an die eigene Idee gelten zu lassen. Nur wer den echten "Glauben" hat, ist ein echtes Parteimitglied. Abweichler werden als Abtrünnige exkommuniziert. Die SP aber kann mit Vielfalt umgehen, denn aus der Vielfalt ist sie entstanden.

Doch Hand aufs Herz: Eine Partei, egal welcher Farbe, kann immer nur ein Mittel sein. Unser roter Zweck ist die Gerechtigkeit.


Die SP ist solidarisch, ehrlich und frei.


Die SP spricht Klartext.


Sozialdemokratin sein oder nicht sein ist auch eine Frage des Herzens. Helft weiterhin mit, dass sozialdemokratische Politik in den Dörfern und Agglomerationen wieder wahrgenommen wird. Dass wir eine einfache Sprache sprechen. Dass uns die Menschen wieder vermehrt als das wahrnehmen, was wir sind: sozial und demokratisch. Wer, wenn nicht die SP soll, denn bitte für sichere Renten, für anständige Löhne, bezahlbare Krankenkassenprämien und gegen eine Zweiklassenmedizin, ausufernde Boni, steigende Lebenskosten kämpfen?


Logisch, wo Früchte entstehen, kann ab und zu auch mal der Wurm drin sein. Das gehört dazu. Wichtig ist aber, dass man nicht den ganzen Apfel oder die halbe Birne wegschmeisst, sondern mit gezielter Hilfe zum Beispiel von der Kantonalpartei die Struktur der Frucht zu erhalten versucht. Im Vergleich zu vor 150 Jahren ist Kommunizieren viel einfacher. Wir schreiben unsere Flyer nicht mehr auf einer Hermes Baby und wir telefonieren nicht mehr gebunden ans Festnetz. Wir können immer und von überall mit einem Wisch die Menschen erreichen.


Ich behaupte heute geht vieles richtig und doch das meiste gleich wie früher. Geschichten und Texte müssen auch heute noch zuerst gefühlt, gedacht und vor allem gelebt werden, bevor sie im Word schneller geschrieben sind als vor 150 Jahren auf der Schreibmaschine. Das Handy ist ein Telefon, das mit der SMS und Chat auch dann reden kann, wenn der andere nicht am Hörer ist. Egal welches Medium man für seine Nachricht wählt, es ist immer der Inhalt, der es ausmacht.


Wir müssen Sorge tragen, dass wir nicht mit einem Wisch auf dem Handy oder einem Klick auf dem Laptop meinen, wir könnten so die Politik zu den Leuten bringen. Aber die SMS riecht, klingt und strahlt in Gänsbrunnen halt nicht so, wie wenn Roberto Zanetti Anekdoten erzählt. Und wenn Mattea Meyer Politik spricht, weiss man, es geht um das Wohl aller Menschen. Politik muss die Sinne anregen. Sinnlich sein. Und das geht nur vor Ort.


Es braucht Tage wie heute und Leute wir ihr, die diesen organisieren. Eine demokratische Gesellschaft braucht den Wettbewerb der Ideen darüber, wie wir sie gestalten wollen. Das Rad der Zeit dreht sich für viele Menschen auf unserem Planeten schnell, lautlos und tief in deren Haut. Es hinterlässt dort unauslöschliche Spuren. Aufgrund der täglichen Bilder in den Medien erstarren wir. Orte verschwinden mit einem Bombenschlag von der Landschaft, Gesundheit der Menschen nimmt ab wie ein Eisklotz an der Sonne, Sicherheit und Ordnung gehen verloren. Gegen Angst und Unsicherheit ankämpfen heisst sich nicht davon leiten lassen.


Dazu braucht es Menschen, die ihre Ideen aufgrund ihrer Weltanschauung formulieren, sie entwickeln und sich dazu mit anderen zusammentun. Wir mit unseren vielen politischen Farben es in der Hand haben, dass unser Land stark und stabil bleibt. Politik ist eine Angelegenheit des ganzen Volkes und bedingt den Austausch Gewählter mit allen Mitmenschen. Politik ist nicht konsumierbar, nur machbar.


Politisch aktiv sein heisst miteinander reden, gestalten und umsetzen.


Und ganz wichtig – nie den Humor verlieren.


Danke SP Grenchen, danke Grenchnerinnen und Grenchner, ihr seid unbezahlbar.




Enthält zitierte Stellen aus dem Eingangsreferat von Moritz Leuenberger zu einer Diskussion mit der ÖVP in Wien, 25. Juni 2007.






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