Ich durfte anlässlich der Diplomand:Innen-Feier Anfang Juli 2022 für den Abschluss als Kauffrau/Kauffmann und Detailhandelsfachperson im Konzertsaal Solothurn die Rede halten.
Es war ein toller Anlass mit motivierten Lehrabgänger:Innen und ich habe mit grosser Freude zu ihnen gesprochen.
«Liebe Diplomandinnen und Diplomanden, liebe Angehörige, liebe Anwesende, oder einfach liebe Menschen
Kennen Sie den Spruch: «So, jetzt beginnt die Zukunft» oder «So, jetzt kommt der Ernst des Lebens»?
Mein Gott, ich hörte ihn x mal. Sei es, als ich vom Kindergarten in die Primarschule übertrat oder von der Oberstufe in die Ausbildung zur Lehrerin. Aber ganz gezielt warnte man mich vor dem Herrn «Ernst» mit Nachnahmen «vom Leben», als ich die Ausbildung abschloss und nun im Berufsleben so alleine und verlassen dastehen sollte. Ja ja Fränzi, jetzt kommt der «Ernst vom Läbe». Mit einem Augenzwinkern sage ich euch: Ich wollte sicher nicht die 2. Zukunft mit einem Mann mit Namen Ernst vom Leben verbringen.
Ganz ehrlich: wie viele Zukünfte haben wir denn? Wie viele «Ernst vom Leben» sollen uns begegnen und wenn sie kommen, gehen sie dann von allein wieder oder bleiben die Ernsts wie eine Klette an mir hängen?
Liebe Frauen und Männer die ihr nun das Diplom als Kauffrau/ Detailhandelsfachmann in den Händen haltet. Nach Victor Hugo, einem französischer Schriftsteller und Politiker, gibt es wohl in der Zukunft 3 Ernsts die euch begegnen können.
Den Herr Ernst Schwach, den Herr Ernst Furchtsam und den Herrn Ernst Mutig.
Victor Hugo schrieb vor 200 Jahren: Die Zukunft hat viele Namen:
Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance.
Ich mag dieses Zitat. Es lässt mir immer die Möglichkeit offen, mich für einen Ernst zu entscheiden, mit dem ich meine Zukunft gestalten kann und es hilft mir, wenn ich vielleicht ab und zu an den falschen Ernst gerate, mich zu erinnern, dass da ja noch zwei andere sind.
Klar, wir alle wissen, dass das Leben Auf’s und Ab’s hat. Persönliche, gesellschaftliche ja sogar globale. Schwups steht der schwache Ernst an Deiner Seite obwohl gestern doch noch der unerschrockene da war.
Doch seid euch gewiss: das ist normal und passiert uns allen. Aber euch Jungen halt noch etwas mehr. Man erwartet viel von euch. Das ist gut so. Wirklich. Aber wenn es zu viel wird, dann nehmt allen Mut zusammen und setzt euch für euch selbst ein.
Ihr habt als Berufsleute nicht nur Pflichten, ihr habt auch Rechte.
Wir können gut sein und weniger gut, das ändert nichts an unseren Rechten. Wenn von euch erwartet wird, dass ihr über der Sache steht, dann schaut euch ganz gut an, was denn überhaupt Sache ist.
Es gibt keine natürliche Evolution in Sachen Arbeitsrecht. Den Arbeiterinnen und Arbeitern ist nicht plötzlich ein Arbeitsrecht gewachsen wie manchen Tieren ein Schwanz. Die Arbeitsrechte haben sich nicht von selbst entwickelt wie der aufrechte Gang.
Der Blick zurück zeigt uns darum auch, dass weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber sich auf dem Erreichten ausruhen dürfen. Die Tatsache, dass es uns in mancher Hinsicht besser geht als unseren Müttern und Grossvätern, ist kein Hinweis darauf, dass sich Verhältnisse von selbst stetig verbessern. Aber er ist ein Hinweis darauf, dass wir an den Menschen glauben können.
Denkt daran ihr habt auch eine Freiheit zur Arbeit und darin dank dem Recht Spielraum zur Selbstbestimmung. Ihr seid Akteure, nicht bloss Rädchen, damit der Karren flink läuft. Ihr seid nicht bloss Angestellte, ihr seid Unternehmer:Innen im Unternehmen.
Jedes Stück Selbständigkeit, jeder Zuwachs an Rechten und Möglichkeiten musste mühsam erkämpft und zäh errungen werden. Arbeitgebende und Arbeitnehmende mussten zusammenspannen. Der Blick auf vorangegangene Generationen zeigt uns klar, das geht, weil beides Menschen sind. Es ist der Mensch im Mann und in der Frau, in der Arbeitgeberin und im Arbeitnehmer, der etwas bewirken kann.
Und darum denke ich, wenn ich im Berufsalltag auf Granit beisse oder wieder einmal Stolpersteine vorgelegt bekomme immer daran: Das Gegenüber ist ein Mensch wie ich. Und so bekommt der «Ernst vom Leben» ein menschliches Gesicht. Und so viele Menschen wie es gibt, so viele Zukünfte hat es.
Zum Schluss verrate ich euch welchen Ernst vom Leben Victor Hugo bei seiner Aufzählung der Zukunftsnamen vergessen hat. Ihr erinnert euch: Für Schwache ist die Zukunft das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance. Vergessen ging für die Humorvollen ist die Zukunft das Machbare.
Wenn man einmal nicht weiter weiss, so hilft Lachen die Denkblockade zu überwinden. Kennt ihr den Witz: Kommt der Angestellte zurück an den Arbeitsplatz und sagt zur Kollegin: Komisch, der Chef hat eben voll rumgemeckert." Fragt die Kollegin: "Worum ging's denn?" Sagt der Andere: "das ist ja das Komische ich habe keine Ahnung. Er sagte Irgendwer soll irgendwem hier in Zukunft besser zuhören oder so."
Humor ist der Knopf der verhindert, dass einem der Kragen platzt.
Bitte liebe Anwesende vergesst den Humor im Leben nicht.
Zum Abschluss gebe ich euch ein Rechenbeispiel mit, das mir mal ein Chef mit Augenzwinkern vorlegte als ich sagte: Wir schaffen einfach zu viel.
Weisst Du Rosso wie viel wir pro Jahr arbeiten? Hier ein Rechenbeispiel: Das Jahr hat 365 Tage. Davon schläfst du täglich 8 Stunden, das sind im Jahr 122 Tage - es bleiben also noch 243 Tage. Täglich hast du acht Stunden frei, das sind ebenfalls 122 Tage - es bleiben noch 121 Tage pro Jahr. 52 arbeitsfreie Sonntage hat das Jahr. Was bleibt übrig?: 69 Tage. Samstags wird auch nicht gearbeitet, das sind nochmals 52 ganze Tage. Bleiben also noch 17 Tage. Aber: Du hast täglich eine 1/2 Stunde Pause, macht insgesamt 7 Tage. Übrig bleibt ein Rest von 10 Tagen. Das Jahr hat 9 Feiertage, was bleibt übrig? Sage und schreibe 1 TAG! - Und das ist der 1. Mai, an dem du auch nicht arbeitest.
Liebe Menschen, die positiven Effekte des Lachens sind wissenschaftlich belegt.
Studien zeigen vielfältige Vorteile des Lachens. Das reicht von einem besseren Immunsystem, weniger Stress, besseren Beziehungen bis hin zu einer leichteren Verdauung. Apropos Verdauung, damit die funktioniert muss man auch etwas essen und trinken. Ich höre jetzt auf, sonst wird das nie etwas mit dem Apéro.
Ich wünsche euch viel Freude für die Zukunft mit dem Ernst des Lebens namens Humor!»
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